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J.S. Bach als humorvoller Kommentator des Neuen

Die Kaffeekantate als kleine Skizze des Menschlichen

Johann Sebastian Bach, der allseits bekannte Komponist des Barock, dem fast ein eigenes Kapitel in der Musikgeschichte gehört, schrieb neben seinen zahlreichen Kirchenkantaten natürlich auch weltliche Kantaten. Meistens waren das Werke zur Huldigung der Obrigkeit, wie z.B. die Kantate zum Geburtstag der Schwiegertochter August des Starken. Das Geburtstagslied von damals kennen wir vermutlich alle. Es wurde später der Eingangschor des Weihnachtsoratorium – Jauchzet, frohlocket.

Im Gegensatz zu dieser Art weltlichen Kantaten für die Obrigkeit ist die Kaffeekantate eine kleine feine musikalische Skizze aus dem bürgerlichen Leben der Leipziger, humorvoll und ironisch.

Der Inhalt wird von einem Erzähler dem geneigten Publikum berichtet. Herr Schlendrian versucht seiner Tochter Liesgen die Unsitte des täglichen Kaffeetrinkens abzugewöhnen. Liesgen schwärmt sehr für Kaffee und singt:

„Ei! wie schmeckt der Coffee süße,
Lieblicher als tausend Küsse,
Milder als Muskatenwein.
Coffee, Coffee muss ich haben,
Und wenn jemand mich will laben,
Ach, so schenkt mir Coffee ein!"

Schlendrian droht seiner Tochter wütend, das Kaffeetrinken sein zu lassen – sie lässt sich nicht beeindrucken. Erst als er ihr die Erlaubnis zur Heirat in Aussicht stellt, lenkt die eigenwillige Tochter scheinbar ein. Sie lässt anschließend heimlich verbreiten, dass sie nur einen Mann akzeptiert, der ihr auch in der Ehe jederzeit das Kaffeetrinken gestattet.

Das Streitgespräch von Vater und Tochter endet dann mit einem ironisch-versöhnlichen Kommentar, gesungen von den drei Gesangssolisten:

"Die Katze lässt das Mausen nicht,
Die Jungfern bleiben Coffeeschwestern.
Die Mutter liebt den Coffeebrauch,
Die Großmama trank solchen auch,
Wer will nun auf die Töchter lästern!"

Eine humorvolle Parabel über das Neue

Diese Kantate zeigt auch musikalisch, dass Johann Sebastian Bach einen gewissen Sinn für Humor hatte. Bach versteht es, die Charaktere der handelnden Personen mit musikalischen Mitteln zu untermalen. Zum Herrn Schlendrian gehört auf jeden Fall ein schrammelnder Bass, Lieschens Auftritte und Arien verzieren die Flötenkolleraturen.

Kaffee, das schwarze Getränk kam einst durch die Türkenbelagerung zunächst in Wien in Mode, 1694 wurde in Bachs damaliger Heimatstadt Leipzig das erste Kaffeehaus eröffnet. Bach komponierte diese Kantate aus reiner Liebe zum Kaffee für sein eigenes Kaffeehausensemble, das im Zimmermanschen Kaffeehaus auftrat. Er selber war dort häufig zu Gast. Das Zimmermannsche Kaffeehaus gehört zu den Treffpunkten des bürgerlichen Leipzigs, allerdings nur für Männer. Das Kaffeetrinken war für Frauen zu dieser Zeit tatsächlich noch verpönt.

Bach greift damit ein für die damalige Zeit relativ freches Thema in seinem unterhaltsamen Stück auf: Er beschreibt uns ja Liesgen als eine junge Frau, die ihren Vater an der Nase herumführt, um ungestört ihren Kaffee trinken zu können. So präsentiert sich hier neben all diesem komödiantischen Vergnügen mit der Kaffeekantate auch eine Parabel – nämlich eine ewig gültige Wahrheit:

Altmodischer Starrsinn vermag gegen den Aufbruch in das Neue nichts auszurichten.

Mein Tipp am Ende dieses kleinen musikalischen Ausflugs:

Gönnen Sie sich eine gute Tasse Kaffee – oder auch zwei – und schauen Sie dabei die Aufnahme der Kaffeekantate der Netherlands Bach Society. Sie erleben eine frisch-freche szenische Aufführung mit einem überraschenden Ende.

Hier geht es zum Video: https://youtu.be/B6Loyexw3uk

 

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